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Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 03.07.2003
Aktenzeichen: 12 W 128/03
Rechtsgebiete: GKG, BRAGO
Vorschriften:
GKG § 25 Abs. 3 | |
BRAGO § 9 Abs. 2 |
KAMMERGERICHT Beschluss
Geschäftsnummer: 12 W 128/03
In Sachen
Berlin, den 3. Juli 2003
Tenor:
1. Die Beschwerde des Rechtsanwalts M H vom 24. April gegen den Streitwertbeschluss des Landgerichts Berlin vom 7. März 2003 wird zurückgewiesen.
2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
3. Die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof wird zugelassen.
Gründe:
Die nach §§ 25 Abs. 3 GKG, 9 Abs. 2 BRAGO zulässige Beschwerde des Rechtsanwalts hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Die Frage, ob und ggf. wie sich die einseitige Erledigungserklärung durch den Kläger auf den Streitwert auswirkt, ist in Rechtsprechung und Schrifttum seit langem heftig umstritten. Teilweise wird die Auffassung vertreten, die einseitige Erledigungserklärung des Klägers verändere den Gebührenstreitwert nicht (KG, WRP 1987, 111 [5. Senat]; Berliner AnwBl. 98, 194 [12. Senat]; OLG Brandenburg, NJW-RR 1996, 1472; OLG Frankfurt, JurBüro 82, 914 [8. Senat]; OLG Köln, MDR 1995, 103 [17. Senat]; OLGR 1997, 120 [27. Senat]; OLG Koblenz, JurBüro 1984. 282; OLG Düsseldorf, JurBüro 1994, 114; OLG München, JurBüro 85, 1084 [24. Senat]; MDR 1989, 73 [28. Senat]; JurBüro 1996, 368 [28. Senat]; AnwBl 1985, 384 [5. Senat]; AnwBl 1982, 198 [3. Senat]; OLG Stuttgart, JurBüro 1975, 1499 [8. Senat]; aus der Literatur ebenso Mümmler, JurBüro 1978, 1293; ders., JurBüro 1984, 284; ders., JurBüro 1985, 1086; Chemnitz, AnwBl 1981, 112; ders., AnwBl 1981, 112; Röckle, AnwBl 1993, 317; Herget, in: Zöller ZPO; Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 61. Aufl., Anh. § 3 Rn. 45; Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 11. Aufl., Rn. 1519; Hillach/Rohs, Handbuch des Streitwerts in Zivilsachen, 9. Aufl. § 66 C; Oestreich/Winter/Hellstab, Streitwerthandbuch, 2. Aufl., Stichwort "Erledigungserklärung", S: 84 f.). Dieser Auffassung ist auch der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung gefolgt (u. a. mit Beschluss vom 10. November 1997 - 12 W 7979/97).
Nach einer anderen in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassung soll die einseitige Erledigungserklärung zu einem prozentualen Abschlag vom bisherigen Wert der Hauptsache führen, wobei die Höhe des Abschlags im Einzelnen streitig ist (vgl. OLG Frankfurt, MDR 1995, 207 [22. Senat]; OLGR 1998, 14 [16. Senat]; OLG Köln, VersR 1994, 954 = OLGR 1994, 114 [22. Senat]; OLG Hamm, JurBüro 1976, 1683 [4. Senat]; OLG München, OLGR 1993, 264 [12. Senat]; MDR 1998, 62, 642 [11. Senat]; aus der Literatur ebenso Bork, in Stein/Jonas, ZPO, Band 2, §§ 91-252, 21. Aufl., § 91 a III Rn. 47; Röhl, in: Alternativkommentar ZPO, § 91 a Rn. 49).
Demgegen geht die wohl überwiegende Meinung, insbesondere auch der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass sich der Streitwert im Fall der einseitigen Erledigungserklärung grundsätzlich auf das Kosteninteresse des Klägers ermäßigt (vgl. nur BGHZ 106, 359 [366 f.]; NJW-RR 1988, 1456; FamRZ 1990, 1225; VersR 1993, 625 [626]; NJW-RR 1990, 1474; 1993, 765; 1996, 1210; ebenso auch KG MDR 1999, 380 = KG-Report 1999, 156 [4. Senat]; KG-Report 1997, 283 [8. Senat]; OLG Celle, MDR 1988, 414; HansOLG Hamburg, JurBüro 1990, 912; SchlOLG, OLGR 1999, 79; OLG Köln, NZM 2000, 305 [16. Senat]; FamRZ 1991, 1207 [19. Senat]; Saarländisches OLG, OLGR 1998, 396; OLG Hamm, NJW-RR 1995, 959 [13. Senat]; OLG Bamberg, JurBüro 1978, 1392; OLG München, NJW-RR 1995, 1086 [29. Senat]; OLG Stuttgart, MDR 1989, 266 [8. Senat]; OLG Naumburg, OLGR 1998, 32; FamRZ 2002, 680; OLG Dresden, NJW-RR 2001, 428; OLG Rostock, MDR 1993, 1019; aus der Literatur ebenso Anders/Gehle/Kunze, Streitwertlexikon, 4. Aufl., Stichwort "Erledigung der Hauptsache", Rn. 10; Wolst, in Musielak, ZPO, 3. Aufl., § 91 a Rn. 47; Schwerdtfeger, in: Münchener Kommentar zur ZPO, Band 1, §§ 1-354, 2. Aufl., § 3 Rn. 68; Liebheit, AnwBl 2000, 73).
2. Der Senat gibt nach nochmaliger Überprüfung seine bisherige Rechtsprechung auf und schließt sich der zuletzt genannten Rechtsmeinung an, wonach bei einseitiger Erledigungserklärung grundsätzlich das Kosteninteresse des Klägers maßgeblich ist.
Im Ausgangspunkt besteht Einigkeit darüber, dass für die Wertfestsetzung, soweit keine gesetzlichen Sonderregeln bestehen, der Antrag des Klägers ausschlaggebend ist. Maßgebend ist das wahre, der objektive Verkehrswert, nicht der Liebhaberwert oder der Wert nur für den Kläger. Es kommt nicht nur auf diejenige wirtschaftliche Bedeutung an, die gerade der Kläger seinen Anträgen beimisst (Baumbach/Hartmann, ZPO, 61. Aufl., § 3 Rdnr. 3 m. w. N.). Erklärt die klagende Partei aber den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt, so verfolgt sie ihr ursprüngliches Klagebegehren gerade nicht weiter. Besonders deutlich wird das in dem hier vorliegenden Fall einer Leistungsklage. Zwar muss das Gericht im Fall der einseitigen Erledigungserklärung des Klägers - ebenso wie bei einer Weiterverfolgung des ursprünglichen Klageantrages - prüfen, ob die Klage ursprünglich zulässig und begründet war. Der Prüfungsumfang geht sogar darüber hinaus, denn das Gericht muss zusätzlich feststellen, ob ein erledigendes Ereignis eingetreten ist. Dies bleibt jedoch für die Streitwertberechnung ohne Bedeutung. Werden beispielsweise Zinsen einer Darlehensforderung eingeklagt und bestreitet der Beklagte das Darlehen, so muss das Gericht in den Urteilsgründen inzident das Bestehen der Darlehensforderung prüfen. Dies ändert jedoch nichts daran, dass sich der Streitwert nur nach dem Zinsanspruch berechnet. Dies erkennen grundsätzlich auch diejenigen an, die die Auffassung vertreten, die einseitige Erledigungserklärung. wirke sich auf den Streitwert nicht aus (so etwa Zöller/Herget, ZPO, 23. Aufl., § 3 Rdnr. 3). Der Senat schließt nicht aus, dass die klagende Partei ausnahmsweise ein über die Kosten hinausgehendes Interesse an der Feststellung der Erledigung haben kann (vgl. BGH NJW 1982, 768). Dies wird jedoch gerade in Fällen der vorliegenden Art, in denen die Erledigungserklärung der klagenden Partei darauf beruht, dass der Gegner den mit der Klage geltend gemachten Anspruch - ganz oder teilweise - vorbehaltlos erfüllt hat, nur ganz ausnahmsweise einmal der Fall sein.
Hier hat die Beklagte die von der Klägerin herausverlangten Räume nach Zustellung der Klage vorbehaltslos geräumt. Sie hat zudem mit Schreiben vom 18. Februar 2003 gegenüber dem Gericht erklärt, sie wisse, dass die Klägerin im Recht sei. Unter diesen Umständen ist ein über die auf den Herausgabeantrag entfallenden anteiligen Kosten hinausgehendes Interesse der Klägerin an der Feststellung der Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache nicht erkennbar.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 25 Abs. 4 GKG.
4. Die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof wird gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 2 i, V. m. Abs. 3 Satz 1 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen.
Ende der Entscheidung
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